Zahlreiche Designer und Textilhändler haben erkannt, dass sich die neue Bio-Mode gut verkaufen lässt. Noch ist es aber schwer, verlässliche Bio-Kleidung zu finden. Was fehlt, ist ein einheitliches Textilsiegel.

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Die Textilbranche setzt auf Biobaumwolle. In den letzten vier Jahren ist die weltweite Produktion von 20.000 auf 178.000 Tonnen Biobaumwolle gestiegen. Davon fallen 8.500 Tonnen auf den Modekonzern Hennes & Mauritz, 12.000 Tonnen verarbeitet der Konkurrent C&A. „Wir möchten zu dem führenden Abnehmern von Biobaumwolle gehören“, sagt C&A-Sprecher Thorsten Rolfes. Im letzten Jahr verkaufte das Unternehmen weltweit 18,1 Millionen Biotextilien. Dieses Jahr sollen es 20 Millionen werden.

Die Zahlen versprechen Wachstum, aber nur acht Prozent der C&A-Textilien bestehen aus Biobaumwolle. Das Angebot an Öko-Kleidung geht in deutschen Modeläden oft noch unter. Neben herkömmlichen T-Shirts liegen Polohemden mit unauffälligem Bio-Etikett. „Der Handel hat ein Problem“, meint Dr. Steffi Ober, Referentin vom Naturschutzbund. „Er kann der Biobaumwolle nicht all seine Aufmerksamkeit widmen. Sonst fragen die Kunden, was mit der konventionellen Ware nicht stimmt.“

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Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Marktanteil von Biowolle ist verschwindend gering

Konventionell heißt, dass die Baumwollfasern mit herkömmlichem oder gentechnisch verändertem Saatgut angebaut und mit Pestiziden belastet werden. 23 Millionen Tonnen Baumwolle werden weltweit pro Jahr auf diese Weise erzeugt. Die Baumwollkapseln landen in Entkörnungsfabriken, wo sie Zwischenhändler abnehmen. Mit Gen-Fasern verunreinigte Wolle ist per se nicht auszuschließen, da „in Entwicklungsländern nicht alles so desinfiziert werden kann wie in Deutschland“, erzählt Heike Scheurer, Sprecherin vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft IVN. „Unter Umständen werden verschieden angebaute Baumwollfasern abwechselnd in ein und demselben Lastwagen transportiert.“ Bislang gibt es keinen zuverlässigen Test, der überprüft, wie viele genmanipulierte Organismen in der verarbeiteten Faser enthalten sind. „Man kann nur feststellen, ob die Faser verunreinigt wurde oder nicht“, so Scheurer.

Komplexes Produkt Kleidung

Verlässliche Kontrollen braucht auch die Weiterverarbeitung. Die Rohbaumwolle wird meist in Billiglohnländern zu Garnen gesponnen, gefärbt, zu Stoffen gewebt und weiter zu Kleidung oder Textilien verarbeitet. Überall können gefährliche Substanzen eingesetzt werden. Der IVN arbeitet mit unabhängigen Kontrolleuren zusammen, die die Verarbeitung ab der Spinnerei zertifizieren. Um ihr Siegel „Global Organic Textil Standard“, kurz „GOTS“, zu erhalten, muss das Textil aus mindestens 90 Prozent Naturfasern bestehen. Für alle beteiligten Arbeitskräfte gelten soziale Standards. Auch der Verein TransFair garantiert mit dem „Fairtrade“ -Siegel, dass die zertifizierten Produkte nicht durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt entstanden sind. Allerdings besteht nur die Hälfte der angebotenen Fairtrade-Kleidung aus Biofasern. Der Rest stammt aus konventionellen, genfreien Hochkulturen.

Viele Siegel ohne EU-Standards 

GOTSZu den Siegeln „GOTS“ und „Fairtrade“ reihen sich viele weitere, die „öko“ versprechen. Einige sind Eigenkreationen von Herstellern und Handelsunternehmen. Andere stammen von unabhängigen Prüfinstituten, die sich nur auf Schadstoffe im Endprodukt beziehen, wie zum Beispiel der „Öko-tex Standard 100“. Das Siegel berücksichtigt weder Produktionsbedingungen noch soziale Kriterien. 100 Prozent Bio-Qualität verbirgt sich nur hinter wenigen Kennzeichen. Eines davon ist das runde Emblem „Naturtextil zertifiziert BEST“.

„Die Verbraucher kennen sich mit den Siegeln nicht aus“, sagt Monika Büning, Umwelt- und Produktsicherheitsexpertin vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Die gucken zwar drauf, wissen aber nicht, was dahinter steckt.“ Im Unterschied zur Lebensmittelbranche fehlt der Textilwirtschaft ein einheitliches Siegel auf europäischer Ebene. Die Textilproduktion benötigt eigene EU-Vorschriften, die den ökologischen Landbau sowie soziale Standards regeln.

Erste Lösungsansätze kommen von den Verbraucherzentralen. „Den Versuch, ein einheitliches Label zu etablieren, könnte man mit Mindeststandards beginnen. Darum können sich dann weitere Institutionen positionieren, die mehr wollen“, schlägt Büning vor. Sie würden gerne das Umweltzeichen „Blauer Engel“ auch für Textilien und Schuhe verwenden. Möglicherweise steht es bald für Bio-Qualität und soziale Standards.

Der Naturtextilverband arbeitet derweil an einem EU-Gesetzeszeichen und sucht einen Partner, der sich um die Einhaltung der sozialen Standards kümmert. Das GOTS-Siegel führen bislang 3.000 Betriebe, noch ist es nicht staatlich zertifiziert. Wenn das einheitliche Siegel auf EU-Ebene kommt, könnte das Angebot an Bio-Kleidung auch in Deutschland stärker wachsen. Zu vielen Verbrauchern sei es noch egal, welche Art von Baumwolle sie kaufen, meint Büning und folgert: „Es bedarf einer größeren Kampagne der EU, wie das bei den Bio-Lebensmitteln der Fall war.“

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