Ein ruhiges Kleinod am Ende des Vringsveedels. Hier, zwischen Nord-Südfahrt und Severinstraße, thront die bewegliche Skulptur eines Narrenschiffs inmitten eines versteckten Häuserensembles. Kapitän Karl Berbuer steuert ein Boot mit karnevalesker Besetzung: Ein Deutzer Lappenclown spielt Pauke, das Mariechen tanzt und auf der Bugspitze lächelt Mutter Colonia. Den Brunnen kann jeder selbst gestalten. Arme und Beine der Figuren lassen sich nach Belieben verstellen. Nebenan erstreckt sich der eigentliche Platz: Bäume und Hecken verzieren seine eckige Form. Öffentliche Bänke, eine Gaststätte und eine Crêperie laden zum Verweilen ein.

Mit dem Platz erinnert die Stadt Köln an den Sänger und Komponisten Karl Berbuer. 1900 als Sohn eines Bäckermeisters im Griechenmarktviertel geboren, übten sich er und seine drei Brüder nach dem Schulabschluss zunächst im Brötchen backen. Seine eigentliche Leidenschaft galt aber dem Texten und Komponieren von Liedern. Kurz nach 1919 debütierte er als Schauspieler im Theater von Wilhelm Schneider-Clauss, wo er seine ersten Werke vortrug. 1924 folgte die Premiere im Sitzungskarneval: In einer als ziviles Vereinstreffen getarnten Elften im Elften Feier der Roten Funken – der öffentliche Karneval war von der britischen Besatzung verboten – trat er mit dem Lied „Se kriggen uns nit kapott“ auf, einem humorvoll verpackten Protest gegen die Machthaber im Land. Mit „Ich moß jet mit dem Titi tata Jong“ erhielt er 1926 den Preis der Kölner Fastnachtsspiele. Den größten Erfolg erreichte er aber mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“ im Jahr 1936. Galgenhumor mitten im Krieg: Um den Ausruf „Heil Hitler“ zu verschleiern, musste man den Laut „hei“ nur ausreichend lang ziehen und der Reichskanzler erkor zum „witzka“. Das hat manch einer im Rheinland sicherlich verstanden und betont gesungen – verschmitzt und mit einem Augenzwinkern, so wie Berbuer selbst vortrug.

Karl Berbuer Brunnen
Karl Berbuer wurde mit diesem Narrenschiff auf dem gleichnamigen Platz im Kölner Severinsviertel verewigt

 

In den 30er Jahren war Karl Berbuer in Deutschland so bekannt, dass ihm seine Lieder und Auftritte keine Zeit mehr für die Backstube ließen. Er konzentrierte sich vollends auf das Komponieren. Denn außer Willi Ostermann gab es bis dato keinen vergleichbaren Schöpfer Kölner Lieder.

Karl Berbuer Brunnen
Kapitän des Schiffs ist der Karnevalist Berbuer selbst

In den 40er Jahren entstanden „Au yes Marie, au yes“, eine Anspielung auf die schlechte Lebensmittelversorgung durch die Engländer, sowie sein berühmtes „Trizonesien-Lied“ als Reaktion auf die Einteilung Deutschlands unter den Besatzungsmächten. Bei internationalen Sportspielen in der Nachkriegszeit wurde es mehrfach als „Nationalhymne“ gespielt.

Karl Berbuer Brunnen
Musik darf auf dem Narrenschiff nicht fehlen
Karl Berbuer Brunnen
Auch die Jungfrau des Kölner Dreigestirns fährt mit

Karl Berbuer Brunnen

Im Laufe der Jahre schrieb Karl Berbuer über 100 Karnevals- und Trinklieder. Aufmunternde, fröhliche und ironisch-kritische Kompositionen, die im Karneval und auch zu anderen Festen gespielt werden und zum Mitsingen anregen. Sein Repertoire zeigt die Facetten der Kölner und des Karnevals. Er hatte ein Gespür für neue Geschichten, in denen sich die Menschen wiederfinden. 1970 erhielt er für seine Leistung die Willi-Ostermann-Medaille, die höchste Auszeichnung des Kölner Karnevals.

1977 starb Karl Berbuer an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde auf dem Kölner Südfriedhof beerdigt. Initiiert von Berbuers ehemaliger Karnevalsgesellschaft, den „Muuzemändelcher“, verkündet die Bezirksvertretung Innenstadt am 11. Februar 1982 „den Teilbereich zwischen Severinstraße und Nord-Süd-Fahrt in Karl-Berbuer-Platz umzubenennen.“

Fotos: Berbuer-Brunnen (div.), Quelle: Evelyn Steinbach

 

Narrenschiff als Spielbrunnen

Dem nicht genug: Zu Ehren Karl Berbuers sollte auch ein lebendiges Kunstwerk auf dem Platz entstehen. So lebendig, wie seine Lieder auch. Unter dem damaligen Oberbürgermeister Norbert Burger wurde ein eigenes Kuratorium gegründet, in dem Mitglieder des Stadtrats und des Festkomitees sowie dem Karneval verbundene Bürger mitwirkten. Initiator und Vorsitzender des Kuratoriums war Ferdi Leisten, Festkomiteepräsident und ein langjähriger Freund Berbuers.

Er rief zu einem Wettbewerb aus, worauf 14 Künstler ihre Entwürfe präsentierten. Die überzeugendste Idee hatte der Aachener Bildhauer Bonifatius Stirnberg. Sein Spielbrunnen in Form eines Schiffes ähnelt einer umgedrehten Narrenkappe. Der Brunnen steht seit 1987 auf dem Platz und soll an Berbuers „Müllemer Bötchen“ aus dem Lied „Heidewitzka, Herr Kapitän“ erinnern. Am Bootsrand stehen Notenschrift und Textzeilen aus seinen Werken. An Bord sind verschiedene Karnevalsfreunde: Zwei Heinzelmännchen, die Kölner Straßenmusiker „Orgels Palm“ (Orgeldreher) und „Fleuten-Arnöldche“ (Flötenspieler), zwei musizierende Deutzer Lappenclowns an der Pauke und am Becken, ein tanzender Funke mit Mariechen und natürlich Berbuer selbst in Karnevalsuniform und mit Narrenkappe auf dem Kopf. Um seinen Hals hängen verschiedene Karnevalsorden. Mutter Colonia ist auch dabei. Sie „überwacht“ das lustige Treiben der drehbaren Figuren von der Bugspitze aus. Zwischen ihnen sprudelt im Sommer Wasser.

 

Bildhauer Stirnberg

Bonifatius Stirnberg, Jahrgang 1933, ist gelernter Holzbildhauer und Tischler. Er studierte Bildhauerei an der Werkkunstschule in Aachen und an der Kunstakademie Düsseldorf, wo Joseph Beuys sein Professor war. Auf Stirnberg gehen verschiedene Brunnen in Deutschland zurück, die meisten stehen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

 

Denkmäler Kölner Karnevalisten

Auch auf anderen Plätzen werden Kölner Karnevalisten geehrt. Komponist Willi Ostermann (1876-1936) erhielt einen Brunnen in der Altstadt. Sängerin Trude Herr (1927-1991) wurde mit einem Straßennamen im Severinsviertel verewigt. Und Schauspieler Willy Millowitsch (1909-1999) bekam eine Bronzestatue auf dem Eisenmarkt in der Altstadt unweit des Hänneschen Theaters. Ein Platz in der Nähe des Hahnentors wurde auch nach ihm benannt. Auf dem Kölner Prominenten-Friedhof Melaten finden sich darüber hinaus viele berühmte Grabmale, unter anderem von dem Komponisten Toni Steingass („Leckerchen, Zückerchen“), dem ehemaligen Festkomiteepräsidenten Ferdi Leisten, von Willi Ostermann („Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia”) oder dem Sänger Jupp Schmitz („Am Aschermittwoch ist alles vorbei“). Für Schmitz gibt es in der Marspfortengasse in der Altstadt ebenfalls ein Denkmal, dass an ihn und seine Lieder erinnern soll. Er selbst sitzt am Flügel.