Klimaneutraler Lebensstil

Gibt es einen klimaneutralen Lebensstil? Ja, den gibt es – aber nicht bei uns. Zumindest noch nicht. Der Durchschnittsdeutsche verbraucht 11,5 Tonnen CO2im Jahr. Fast zehn Tonnen zuviel, um das Klimaziel von zwei Tonnen pro Kopf zu erreichen. Was also tun, um den Alltag umweltfreundlicher zu gestalten? Wo fange ich an? Und wie kann ich meinen Lebensstil langfristig verändern?

„Schritt null für den Klimaschutz ist, zu akzeptieren, dass es mit ein bisschen aufpassen nicht getan ist“, sagt Michael Bilharz vom Berliner Umweltbundesamt. „Der Großteil der Menschen findet den Umweltschutz gut, im Alltag sind aber viele in Strukturen gefangen, die sich seit Jahren entwickelt haben.“ Das betrifft das eigene Auto, die große Wohnung und das riesige Kaufangebot um uns herum. Aus dem System heraus kommen wir laut Bilharz nur mit neuen politischen Rahmenbedingungen und jedem Einzelnen, der sich mit den eigenen Maßnahmen auseinandersetzt.

CO2-Rechner zeigt Einsparpotenziale im Alltag auf

Einen Überblick, wie viel CO2 man jährlich mit seiner Lebensweise verbraucht, liefert ein CO2-Onlinerechner wie der des Umweltbundesamtes. Auf der Seite kann jeder seine Daten zu den wichtigsten Stellschrauben, den „Big Points“, wie sie Umweltvertreter nennen, eingeben: Wohnen, Mobilität, Ernährung und Konsum. Das Ergebnis: ein persönlicher CO2-Fußabdruck, der zeigt, wie viel Emissionen sich noch einsparen ließen.

Angefangen in der Wohnung: Hier geht es primär um den Strom und die Heizung. „Jeder kann leicht zu einem Ökostromanbieter wechseln – eine einmalige Aktion, die nicht zwingend mehr kostet“, sagt Seraja Bock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Manchmal sind Ökostromtarife sogar günstiger. „Gleichzeitig sollte man auch mit Ökostrom das Licht und die Geräte ausschalten, wenn sie nicht benutzt werden“, ergänzt er.

Bei der Heizung gilt: „Nur die Räume heizen, die man benutzt, und nur soviel, wie man braucht“, sagt er. Ratsam ist auch, etwas weniger zu heizen. „Pro Grad Raumtemperatur kann man bis zu sechs Prozent Heizenergie einsparen“, weiß Jens Gröger vom Öko-Institut in Berlin.

Natürlich tragen auch der Energieträger und der Dämmstandard eines Hauses dazu bei, wie umweltfreundlich eine Heizung ist. Statt Öl und Gas kann Sonnenenergie für die Wärmeversorgung genutzt und in Wärmenetze eingebunden werden. Wer energetisch nachrüstet, kann sich durch die KfW und BAFA fördern lassen.

Zu den größten Stromfressern im Haushalt gehören Elektrogeräte. „Beim Kühlschrank werden häufig sehr große Geräte gekauft, die für die Anzahl der Personen im Haushalt überdimensioniert sind“, sagt Gröger. Trotz einer hohen Effizienzklasse – derzeit A+++ – verbrauchen solche Geräte immer noch sehr viel Energie.

„Bei der Waschmaschine und der Spülmaschine ist es wichtig, sie vollständig zu beladen und niedrigere Temperaturen zu wählen“, sagt er. Auch wenn „Eco-Programme“ länger laufen, benötigen sie nur die Hälfte an Energie, um die gleiche Reinigung zu erbringen.

Große Flachbildfernseher liegen im Trend. „Das führt dazu, dass die Geräte trotz ihrer Effizienzvorteile gegenüber alten Röhrenmonitoren mehr Strom verbrauchen“, sagt Gröger. Hinzu kommt: „Wer über einen Streamingdienst fern sieht, verursacht allein im Netzwerk 100 Kilogramm CO2 pro Jahr“, weiß er. Effizienter sei ein Empfang über Antenne oder Satellit.

Energieeffiziente Lampen haben sich mittlerweile durchgesetzt. Aber: „Weil LED-Lampen so wenig Energie benötigen, wird bei der Beleuchtung nicht mehr gespart“, sagt Gröger. Räume werden mit zu vielen Lichtquellen versehen, die seltener ausgeschaltet werden. „Insgesamt führt dies zu einem Mehrverbrauch“, sagt er. Daher sollte hier das Einsparen vor der Effizienz stehen.

Weniger fliegen und Auto fahren 

Der nächste Schritt, auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Lebensstil, ist die Mobilität: „Wir beobachten, dass der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen im Verkehr ständig wachsen“, sagt Gröger. Die Ursachen dafür seien steigende Mobilitätsansprüche und größere Fahrzeuge wie SUVs und Familien-Vans, die viel Sprit verbrauchen. Oft fehlt es noch an Anreizen, klimafreundlich unterwegs zu sein. „Wenn man statt dem Auto den öffentlichen Nahverkehr nutzt oder aufs Fahrrad umsteigt, bewegt man sich mehr und auch das ist gesünder“, nennt Seraja Bock einen positiven Nebeneffekt. Wer nicht auf das Autofahren verzichten will, kann sich einen Wagen leihen. „Unter 10.000 Kilometern im Jahr ist Carsharing günstiger als ein eigenes Auto“, sagt Michael Bilharz.

Große Einsparungen bringt auch der Verzicht aufs Fliegen. „Ein europäischer Flug verursacht direkt ein bis zwei Tonnen CO2. Interkontinentalflüge drei bis fünf Tonnen“, erzählt er. Die Alternative heißt auch hier Bahn fahren oder zumindest die Flugreise kompensieren. Klimaorganisationen wie Atmosfair und MyClimate setzen sich mit der Ausgleichszahlung für den Umweltschutz ein. „Wer 250 Euro zahlt, reduziert elf Tonnen CO2 und bekommt dazu eine Spendenbescheinigung“, sagt er. Menschen, die eine Geldrücklage haben, können zudem in Windenergie investieren: 10.000 Euro ersparen der Umwelt elf Tonnen CO2, also den gesamten Jahresausstoß. Eine Geldanlage von 1.000 Euro ließe sich auch bei einer Ökobank deponieren. „Diese Banken schließen klimaschädliche Anlageinvestitionen aus und vergeben Kredite an Unternehmen und Privatpersonen, die mit ökologischen und sozialen Kriterien verknüpft sind“, erklärt er.

Sparsam mit Fleischkonsum

Bleibt noch die Ernährung: Weniger Fleisch, mehr regionale und saisonale Bio-Produkte sing gut für die Klima-Bilanz. „Wichtig ist, nicht jedes Mal darauf achten zu müssen, sondern das Verhalten zur Gewohnheit zu machen“, sagt Bock. Dabei warnt er, die CO2-Ersparnis nicht ins falsche Verhältnis zu setzen: „Wenn man sich vegetarisch ernährt, aber drei bis viermal im Jahr fliegt, ist die Einsparung verschwindend gering.“

Sich selbst Prioritäten setzen

Um den neuen Lebensstil langfristig zu etablieren, hilft es, sich Prioritäten zu setzen. Erst eine Angewohnheit ändern, dann andere. So wird Klimaschutz nicht als reiner Verzicht wahrgenommen. Im Klartext: „Wenn ich meine letzte Einkaufsfahrt mit dem Fahrrad erledigt habe, kann ich ruhigen Gewissens die Sahne mit dem elektrischen Rührgerät schlagen“, so Gröger.

 

Link-Tipps:

Zum Setzen von Prioritäten hilft der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes:  uba.co2-rechner.de/

Energieeffizienz von Haushaltsgeräten, Beleuchtung, Strom, Mobilität und Ernährung:  ecotopten.de

 

Buch-Tipp:

KlimabuchDas Klimabuch 2019: Welche Ursachen und Auswirkungen hat die globale Erwärmung? Wie stark ist der menschliche Einfluss? Was kann gegen den Klimawandel getan werden? Um diese und andere Fragen zu beantworten, hat die Autorin Esther Gonstalla (mit Unterstützung einiger Wissenschaftler) viele Studien und Daten zusammengetragen und in leicht verständliche Infografiken übersetzt. Ohne Hintergrundwissen vorauszusetzen, werden gleichermaßen Details wie die großen Zusammenhänge erklärt, vom Korallensterben bis zum Erreichen gefährlicher Tipping-Points. Besonderen Wert legt Gonstalla auch auf die Darstellung von Lösungsansätzen. Sie zeigt auf, was jeder einzelne tun kann, und was in Politik und Wirtschaft geschehen muss, um ein lebenswertes Klima für alle zu erhalten.

Aus dem oekom Verlag, 128 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-96238-124-0, 24 Euro / 24,70 Euro (A). Auch als E-Book erhältlich.