Maternusplatz

Markante Blumenkübel formen ein großes Rechteck auf dem Boden. Die jungen Bäume brauchen noch Jahre, bis sie ihre Kübel ausfüllen. Dicht neben ihnen stehen Holzbänke und schmale Lichtsäulen. Sie sind so unauffällig, wie der gläserne Eingang zur Tiefgarage. Immer wieder kommen Menschen auf den Maternusplatz in Köln-Rodenkirchen, die sich auf den Bänken ausruhen und das Treiben vor ihnen beobachten: Passanten, die über den Platz zur Hauptstraße abkürzen. Kinder, die auf dem hell gepflasterten, glatten Boden ihre Inline Skates ausprobieren. Oder Spaziergänger, die an Juweliergeschäften, Banken und Einrichtungsläden vorbei schlendern, bis sie in einem der Cafés halt machen.

Die Szenerie beschreibt einen normalen Sonntag Nachmittag auf dem Maternusplatz, dem Mittelpunkt von Rodenkirchen. Auf den ersten Blick wirkt die unbebaute Fläche wie eine puristische, neumoderne Piazza. Die Lage, sein Name und die Randbebauung verraten aber, dass der Platz schon länger existiert. Genauer gesagt seit 1930. „Der Platz war eine Initiative der Gemeinde Rodenkirchen“, sagt Dr. Cornelius Steckner, Kulturwissenschaftler und Leiter der Veranstaltungsreihe „Rodenkirchen erinnert sich“ in der Stadtteilbibliothek. „Die Gemeinde wollte einen dauerhaften Platz als Zentrum einrichten.“

Maternusplatz
Foto: Evelyn Steinbach

Der Maternusplatz entstand auf dem Gebiet des Fronhofes, einer großen Hofanlage der Benedektinerabtei Groß St. Martin. Seine Scheunen und Stallungen breiteten sich bis zur Hauptstraße und zur Maternusstraße aus, zwei alte Wege von Rodenkirchen nach Köln bzw. Rondorf. Die Gemeinde kaufte den Fronhof um 1930 und verpachtete zunächst die erhaltenen Teile des Gebäudes. Baufällige Häuser wurden nach und nach abgerissen. Die frei gewordene Fläche nutzten Landwirte und Händler als Marktplatz. Im Angebot waren zum Beispiel Obst, Gemüse, Wolle oder Wein von hiesigen Höfen oder Fische aus dem Rhein. Nachdem auch die Reste des Fronhofes abgebrochen waren, errichtete die Gemeinde Rodenkirchen den Maternusplatz.

Maternusplatz
Foto: Evelyn Steinbach

Seine ursprüngliche Gestalt behielt er nicht lange. Rodenkirchen wurde im Zweiten Weltkrieg stark getroffen. Zerstörte Bauernhöfe, die einst die Region prägten, wurden nicht mehr aufgebaut. Anders verhielt sich der Gemeindevorsitz am Maternusplatz. „Er wurde nach dem Krieg rekonstruiert ohne seine ursprünglichen Pläne zu kennen“, sagt Steckner, der sich mit der Gestaltung zufrieden zeigt. Es scheint Zufall oder ein historisches Gespür der Rodenkirchener zu sein, dass „der Platz heute so aussieht, wie er 1930 geplant wurde.“

 

Die Randbebauung mit den Wohn- und Geschäftshäusern stammt zum größten Teil aus den 50er und 60er Jahren. „Eigentlich sollte hier auch das Rathaus stehen“, erzählt Steckner. Im Zuge des Umbaus durch die Eingemeindung Rodenkirchens in den 70er Jahren fiel die Entscheidung aber auf einen Bau an der Hauptstraße.

Maternusplatz früher

Bis vor zwei Jahren standen auf dem Platz noch große, alte Silberahornbäume. Es fehlte die Kopfbebauung und Autofahrer durften die Fläche zum parken nutzen. Die Stadt änderte dies, um einen verkehrsberuhigten Platz zu schaffen. Zu ihrem Konzept gehören u.a. eine Tiefgarage, ein schlichtes Architektenhaus, ein neues Pflaster und eine geometrische Anordnung der jungen Gleditschien (Lederhülsenbäume). Nach wie vor erlaubt der Platz eine kurze Rast, zum Beispiel nach der Einkaufs-Tour in der Maternusstraße oder vor der Abfahrt des Stadtbusses. Von allen Seiten ist eine nahezu freie Sicht auf den Platz möglich. Privilegiert scheinen die Bewohner der Balkon-Wohnungen zu sein.

Frauen auf dem Maternusplatz

Die Tradition des Marktplatzes wird bis heute als Wochenmarkt fortgeführt. Auch Volksfeste sind seit jeher eingeplant. Bürgervereine schafften es, dass die Maifeier seit diesem Jahr auf den Maternusplatz zurückgekehrt ist. Der letzte Maibaum in Rodenkirchen wurde vor 160 Jahren aufgestellt. Weitere Veranstaltungen sind die Rodenkirchener Sommertage, die Kunstmesse, der Seniorentag oder das bald anstehende Nikolausfest.

 

Maternus, der Patron von Rodenkirchen

Wer durch Rodenkirchen schlendert, wird unschwer erkennen, dass vieles nach einem bestimmten Mann benannt ist: Maternus I., dem ersten Bischof von Köln. Nicht nur der Platz trägt seinen Namen, sondern auch die dahin führende Straße, die Pfarrei, das Altenheim, die Kirmes, das Wirtshaus oder die Apotheke.

 

Doch warum verehren die Rodenkirchener diesen Kölner Bischof?

Die Antwort steht in einer Legende geschrieben:

Der heilige Maternus lebte im 4. Jahrhundert und war das katholische Oberhaupt von Köln, Trier und Tongern (später Lüttich) zugleich. Nach seinem Tod stritten sich die drei Städte um den Begräbnisort seiner Leiche. Entscheiden sollte eine göttliche Fügung: In Köln legten sie seine Leiche in ein Boot, dass ohne Ruder und Steuermann den Rheinfluten überlassen wurde. Treibe das Boot stromaufwärts, solle die Leiche den Trierern gehören, treibe es abwärts den Tongern und wenn das Boot stehen bliebe gehöre Maternus den Kölnern, hieß es. Das Boot soll eine Stunde den Rhein hinauf getrieben sein, bis es in Rodenkirchen landete – damit gehörte die Leiche den Trieren. Die Kölner waren sehr betrübt über das Ergebnis und nannten den Landungsort fortan „Ruwenkirchen“ (Trauerkirchen; ruwe=Trauer). Im 14. Jahrhundert wurde der Ort in Rodenkirchen umbenannt. Dort, wo das Boot das Ufer erreichte, bauten sie eine kleine Kirche : Alt-Sankt-Maternus, das Kapellchen. Die Kirche war der erste Bau, der seinen Namen trug. Der Rodenkirchener Patron wird seit diesem Zeitpunkt sehr verehrt. Zur Legende reiht sich sein Ruf, Menschen vor ansteckenden Krankheiten zu schützen. Aus diesem Grund weisen Pilgerfahrten nach Rodenkirchen eine lange Geschichte auf, ebenso die 17-tägige Maternusandacht im September.