Claus Derenbach baut seit 30 Jahren Violinen, Bratschen, Cellos und Gamben. Mit seinem feinen Gespür für Material und Klang hat er sich in Köln und weit darüber hinaus einen Namen gemacht. 

Geigenbauer
Claus Derenbach baut Streichinstrumente die klingen. Alle Fotos: Evelyn Steinbach

Die hohen Zimmer des Jugendstil-Altbaus am Brüsseler Platz wirken großzügig und aufgeräumt. Nur wenige Schränke, Tische und Bilder zieren die Seitenwände. Zwischendrin reihen sich Geige an Geige und Cello an Cello. Geigenbaumeister Claus Derenbach hat sie wie ein unaufdringliches Kunstwerk an der Wand arrangiert. Eine seiner Violinen schmückt tonangebend das alte Holzfenster.

Im Nebenzimmer läuft ruhige klassische Musik. Derenbach steht hier täglich an seiner Werkbank. Mal ist es eine neue Violine oder Gambe, die er im Auftrag eines Kunden fertigt. Mal dieses gebrauchte Cello. Es ist zur Reparatur hier abgegeben worden.

„Ich arbeite so lange, bis mir das Ergebnis gefällt“ 

Reparaturen und Wartungen von Streichinstrumenten gehören zum Alltagsgeschäft von Geigenbauern. Besonders in der Stadt: In Köln ist die Musikszene mit zwei Berufsorchestern, einer großen Musikhochschule und unzähligen Akteuren so lebendig, dass genug Aufträge zusammen kommen. Den Bogen neu bespannen, den Klang verbessern oder das Holz aufpolieren: Das kann nur ein Geigenbaumeister. „Man muss Reparaturen mit äußerster Sorgfalt behandeln und trotzdem wissen, wie man ein Problem behebt“, sagt Derenbach. „Es ist ja kein Möbel, das vor einem liegt, sondern ein kostbares Instrument, das den Musikern ans Herz gewachsen ist.“

Weitaus mehr Freude bereitet ihm der Neubau von Streichinstrumenten. Drei bis vier Exemplare entstehen jährlich in seiner Werkstatt, oftmals für berühmte Profimusiker wie Hille Perl. Die Bremer Gambistin gilt als weltbeste Musikerin ihres Fachs.

Drei Monate der stundenlangen Handarbeit vergehen, bis aus dem anfänglichen Holzklotz ein spielbares Instrument entstanden ist. „Im Grunde ist die Technik noch die Gleiche wie im 18. Jahrhundert“, erklärt Derenbach. Einmal begonnen arbeitet er so lange an dem Exemplar, bis ihm das Ergebnis gänzlich gefällt. „Ich selbst bin mein schärfster Kritiker.“

 

Präzision und künstlerisches Geschick

Seine Hölzer stammen aus Bayern, Frankreich und der Schweiz. Wie im Holzhandwerk üblich werden sie zur Weiterverarbeitung gesägt, gehobelt, gefeilt, geleimt und gepinselt. Mit dem Unterschied, dass beim Geigenbau mehr Geduld, Präzision und Feinmotorik erforderlich sind.

Claus Derenbach erklärt, worauf es beim Geigenbau ankommt: „Von oben angefangen sind bei der Schneckenskulptur zunächst einmal bildhauerische Fähigkeiten gefragt. Hier gilt es, besonders auf Symmetrie und Ästhetik achten. Die Achsen sollten auf gleicher Höhe liegen, Schwüngen und Kurven sollte man leicht nachschauen können.

Für den Korpus werden dünne Zargenblätter gehobelt. Hierbei darf man nicht zu viel wegnehmen, das verdirbt das Material. Um die Form der Hölzer zu verändern, muss man die Technik des Holzverbiegens beherrschen. Für den Klang wiederum sind das Volumen und die Stärke der Platten entscheidend sowie die einzelnen Schallöffnungen. Da braucht man schon etwas Gespür und Erfahrung. Ebenso beim Einsetzen des Halses: Das ist eine sehr architektonische Aufgabe.“

Der Mann in der schwarzen Handwerkerschürze hat 13 verschiedene Schablonen erstellt, mit denen er jede Korpusform nachbauen kann. Dafür studiert er historische Originalinstrumente aus Museen und schaut sich deren Umrisse und Spieleigenschaften genau an. „Museen sind immer sehr dankbar, wenn man ein altes Instrument nachschöpfen will“, erzählt er.

Das Interesse an der kreativen Handwerkskunst entstand über die Musik und das Basteln am eigenen Instrument. „Ich habe früher selbst Cello gespielt und lernte mit 18 einen Lehrer kennen, der mit seinen Schülern Musikinstrumente baute. Das war für mich der Einstieg, sich mit Holz und dem Bau von Fiedeln zu beschäftigen.“ Hinzu kommt seine Vorliebe für klassische Musik. „Als ich als Jugendlicher zum ersten Mal einen Violinkonzert gehört habe war ich außer mir vor Aufregung“, erzählt Derenbach lachend. Besonders faszinieren ihn Werke von Johann Sebastian Bach. „Das ich als Handlanger arbeite, indem ich Streichinstrumente baue, mit denen ich seine Musik zum Leben erwecke, ist eine Gnade.“

 

Nur wenige Lehrstellen

Die Ausbildung zum Geigenbauer dauert drei Jahre, die freien Lehrstellen in Deutschland sind rar. In 2011 wurden lediglich fünf neue Ausbildungsverträge zum Geigenbauer geschlossen, davon drei mit Männern und zwei mit Frauen. 1999 waren es noch 15. Derenbach selbst ist Anfang der 80er Jahre zu 70 Geigenbauern in ganz Deutschland gefahren, um einen geeigneten Ausbildungsbetrieb zu finden. „Ich wollte unbedingt eine Werkstatt finden, in der viele neue Instrumente gebaut werden“, berichtet er. „So gelingt das Arbeiten am Material nachher viel flüssiger.“

Die Zusage kam schließlich aus der Stadt Lübeck, in der Meister Haat-Hedlef Uilderks eine Geigenbauwerkstatt betreibt. Derenbach lässt sich zum Gesellen ausbilden, besucht die Geigenbauschule in Mittenwald und legt sieben Jahre später die Meisterprüfung ab. 1990 beschließt der gebürtige Rheinländer in seine Heimat zurückzukehren und eröffnet in Köln eine eigene Werkstatt.

 

Die Werkstatt als Spielzimmer

„Die Anfangsjahre in Köln waren schwer“, erinnert sich Derenbach. „Ich brauchte erst einmal Zeit, um mir ein eigenes Repertoire an Geigen und Kontakten zu Musikern aufzubauen.“ Und dies ohne Ladengeschäft und Mitarbeiter: Die beiden Verkaufsräume im Obergeschoss des Altbaus sind Teil seiner Wohnung. „Ich arbeite gerne dort, wo ich wohne“, sagt er. „Die Werkstatt ist in gewisser Weise mein Spielzimmer.“

In diesen Räumen spielt er hin und wieder noch gerne selbst Cello. „Aber nur als Hobby“, betont er. Den Bühnenauftritt überlässt er den Profis, wie beispielsweise den Orchesterspielern in der Philharmonie. Derenbach hört sich hier jede Woche ein Konzert an. Trotz der täglichen Beschäftigung mit Klangkörpern kann er die Musik noch voll und ganz genießen. Gelegentlich entdeckt er einen Musiker auf der Bühne, der mit einem seiner Instrumente spielt. „Da bin ich dann ganz demütig.“

 

Kunden aus aller Welt

Derenbach hat mittlerweile über 60 Streichinstrumente gebaut, darunter auch drei Kontrabässe. Wer ein Anfängermodell bei ihm kaufen will, muss für Geige, Bogen und Kasten etwa 600 bis 700 Euro einplanen. Für individuell angefertigte Profiinstrumente deutlich mehr. Die Anschaffungskosten liegen hier bei etwa 12.000 Euro für eine Geige und 20.000 Euro für ein Cello.

Inzwischen sind es nicht mehr nur die Kölner Musiker, die auf seine Instrumente schwören. Auch nach Amerika und Japan hat er schon Streicher verkauft. „Vor zwei Jahren stand ein Musiker aus Washington plötzlich vor meiner Tür, der meine Instrumente nur von einer CD  kannte“, erzählt der Geigenbaumeister. Er war entschlossen, mit einem seiner Instrumente fortan spielen zu wollen. Andere probieren seine Geigen erst bei einem Musikerkollegen aus, bevor sie Derenbach besuchen. Kinder und Anfänger sind in seiner Werkstatt ebenfalls willkommen. Für sie hält er auf Wunsch verschiedene Leihinstrumente bereit.

Die nächste barocke Violine soll nach Venedig gehen. Derenbach arbeitet schon eifrig an ihrem Rohling. Im Februar feiert sie Premiere.

Info: www.claus-derenbach.de