Sie hießen „Dummse Tünn“ und „Schäfers Nas“, „Abels Män“ und „De Duv“. Die Zeit der Kölner Rotlichtgrößen ist längst vorbei, doch der Mythos um ihre Geschichte hält weiter an. Wo und was sich in den 60ern und 70ern im Kölschen Milieu abgespielt hat, berichten jetzt Thomas Frank und Klaus Gieraths auf einer Tour von inside Cologne aus der Sicht eines Ganoven und eines Schutzmanns.
Chicago am Rhein
Die Kölner Unterwelt sucht sich ihr Revier auf den Ringen und im Friesenviertel, im Eigelstein und in der Brinkgasse. Die Bosse und ihre Gefolgschaften haben ihr Chicago am Rhein fest im Griff, Streitigkeiten regeln sie mit Fäusten und verzichten auf Waffengewalt.
„Die Gangster kamen sich vor wie Gentlemänner“, sagt Gieraths. „Wie Lino Ventura oder Humphrey Bogart in einem alten Hollywood-Film.“ Auch als sich in der Nacht auf den 20. September 1975 die beiden Rivalen auf der Straße treffen, um endgültig zu klären, wer der alleinige Boss der Unterwelt sei, fällt kein Schuss. Die Schlägerei endet mit einem 1:0 für Schäfers Nas. „Dä hät mer ene vor de Kopp jehaue, un da wor ich weg“, kommentiert Dummse Tünn das Ergebnis des Duells. Und Milieu-Experte Gieraths fügt hinzu: „Sie reichten sich die Hand und gingen zusammen noch einen trinken. – Ein Handschlag war mehr wert als die notarielle Unterschrift.“
Unweit der Mädchen, hielten sich ihre Zuhälter in anrüchigen Kneipen und Nachtclubs auf. „Hier gab es für die Jungs meistens Whiskey und für die Mädels Champagner“, erzählt Gieraths. Das „Klein Köln“ auf der Friesenstraße ist der erste Nachtclub seiner Art seiner Art gewesen. Im Hinterzimmer traf sich regelmäßig, wer Rang und Namen im Milieu hatte.
Überforderte Schutzmänner
Die Polizei versuchte vergeblich, das florierende Geschäft der Unterwelt zu beenden. „Am Anfang sind die Schutzmänner auf Fußstreife gegangen, dann fuhren sie mit dem Fahrrad – oftmals stundenlang ohne Kontakt zur Wache“, erzählt Thomas Frank. Die Polizei kannte zwar ihre Kölner Kriminellen, sie hatte aber häufig nicht die Mittel durchzugreifen. „Die Gangster in ihren dicken Autos fuhren den Polizei-Käfern einfach davon.“ Den Polizisten bleibt nicht anderes übrig, als mit einigen Tricks zu arbeiten. Bei einer Verfolgungsjagd von Schäfers Nas rufen sie die Wache an, damit am Bahnhäuschen die Schranke herunter gelassen wird. Nur so konnte er gestoppt und verhaftet werden.
Kriminalität von außen nimmt zu
Es verwundert nicht, dass die Kriminalitätsrate in Köln damals über der von Hamburg und Berlin lag. Nur 35 Prozent der Straftaten konnten aufgeklärt werden. Vor der ehemaligen Filiale der Deutschen Bank am Dom erzählt Gieraths: „Der Ruf des Milieus in Köln lockte auch Verbrecher aus anderen Städten hierher. Man hatte das Gefühl, hier sei alles möglich und man werde nicht geschnappt.“ So passiert es, das in dieser Filiale 1971 ein Bankraub mit Geiselname stattfindet. 322.000 Mark erbeuten die drei Täter. Die Zeitungen berichten vom „frechsten Bankraub in der Kriminalgeschichte.“ Das Trio flüchtet mit den Geiseln bis ins Saarland, es folgt ein Schusswechsel, bei dem einer der Täter ums Leben kommt, bis die Geiseln letztendlich befreit werden können. Der Überfall bewegt die Kölner Polizei, ab sofort stärker aufzurüsten.
Kölner beklauen den Dom nicht
Auch als Diebe im Jahr 1996 durch den Lüftungsschacht des Domes in die Schatzkammer eindringen, um ein Vortragekreuz aus dem 19. Jahrhundert zu stehlen, kann dies kein spätes Verbrechen des Kölner Milieus sein. Schäfers Nas – eigentlich schon im Ruhestand – ist empört über den Kirchenraub und will bei der Aufklärung des Falles helfen. Er lässt seine Kontakte ein letztes Mal spielen – mit Erfolg: Zwei Wochen später hängt das Kreuz in einer Plastiktüte verpackt an seiner Yacht im Kölner Hafen. Es ist für ihn eine Ehre, dem damaligen Dompropst Norbert Henrichs das Kreuz persönlich zu übergeben. Den ausgesetzten Finderlohn in Höhe von 3.000 Mark lehnt er aber ab. Stattdessen liest der Dompropst eine Messe für ihn. Das würde seiner schwarzen Seele gut tun, meinte er.
Schnelles Geld durch getürktes Glücksspiel
Neben großen Diebstählen und der immensen Zuhälterei auf Kölns Straßen, berichten Frank und Gieraths auch über das lukrative Glücksspiel im Milieu. Die Kasinobetreiber besorgen getürkte Spieltische aus Las Vegas und weil in Köln keiner damit umgehen kann, gleich den passenden Croupier dazu. Damals gab es 17 Kasinos in Köln, weitere in Hinterhöfen. Erst als die Steuerfahnder den Betreibern durch verdeckte Ermittlungen auf die Schliche kommen, verringern sich die Rekordgewinne, die zuvor steuerfrei erwirtschaftet wurden.
Ära des Kölschen Milieus endet in den 70ern
Als Anfang der 70er Jahre NRW-Innenminister Willi Weyer einen neuen Polizeipräsidenten aus Düsseldorf nach Köln schickt, wird es auch für das Rotlichtmilieu in der Innenstadt schwieriger, ihre Bezirke aufrecht zu erhalten. Die Polizei führt Sperrzonen ein und in der Hornstraße in Nippes eröffnet 1972 das Eros Center, ein großangelegtes Bordell im Plattenbau. Die Ära der einstigen Könige vom Ring neigt sich dem Ende zu.
Ticketreservierung für die Führung durch das ehemalige Kölsche Milieu Viertel online unter: www.insidecologne.de und Tel. 0221 / 52 19 77.

Buchtipp zum Weiterlesen:
Peter F. Müller, Michael Müller
Chicago am Rhein: Geschichten aus dem kölschen Milieu
160 Seiten, Broschur, Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-03830-9
(D) 14,99 €, (A) 15,50 €