Nachtzug Nightjet ÖBB

Urlaub im Schnee bedeutet warme Pullover und dicke Socken einpacken – sowie natürlich Skikleidung. Wäre der Koffer nicht schon bei einer Person schnell voll, müssen auch noch Spielsachen, Windeln und Wechselwäsche für unseren Sohn mit. Plus Kinderwagen und Kraxe, eine Art Trekkingrucksack zum Transport von Kleinkindern. Die meisten Eltern entscheiden sich spätestens jetzt für die Anreise mit dem Auto. Wir nicht, seitdem wir den Nachtzug für uns entdeckt haben.

Es ist ein Montag im Januar, 21.30 Uhr am Bahnsteig. Wir stehen am Kölner Hauptbahnhof mit besagtem Gepäck, warten verheißungsvoll auf das Einrollen des Nightjets, der uns in dieser Nacht zu den Alpen bringen wird. Seitdem die Österreicher der Deutschen Bahn ihre Liege- und Schlafwagen abgekauft haben, sind sie nahezu die einzigen, die hierzulande Urlaubsreisen mit dem Nachtzug anbieten. Zumindest solche, indem man die folgenden zehn Stunden bis nach Österreich liegend und im besten Fall schlafend verbringen kann.

Die dunkelblauen Waggons des Nachtzugs fahren langsam ein, mehrere Zugbegleiter in gleichfarbiger Uniform schwenken ihre Köpfe nach links und rechts zum jeweiligen Zugende und bitten höflich um den Einstieg. Wir betreten den engen Flur zu unserem Abteil, das wir ganz für uns alleine gebucht haben: Sechs herunterklappbare Liegen finden wir vor, auf jeder Seite drei, die wir mit weißen Bettlaken, kleinen Kissen und grauen Fleece-Decken beziehen können. Tatsächlich benötigen wir nur drei.

 

Glücklich auf engstem Raum

Das Abteil ist klein, wenn drei Menschen nebeneinander stehen ist der freie Fußraum schon belegt: Unseren Buggy klappen wir zusammen und schieben ihn unter die unterste Liege. Die schweren Koffer können, wenn man es schafft, auf einer Ablagefläche unter der Decke verstaut werden. Wir entscheiden uns für eine andere Lösung: Auf der unteren Liege bauen wir unserem Sohn mit Kissen und Decken ein kleines Nest zum Schlafen. Die Koffer drapieren wir davor und befestigen sie mit Schnüren und Seilen, damit sie nicht wegrutschen und unser Sohn herausfallen kann.

Kurze Zeit später kommt ein Zugbegleiter vorbei. Er kontrolliert die Fahrkarten und erklärt uns die Technik. In dem Abteil läuft noch fast alles mechanisch: ein Kettenschloss zum Verriegeln der Tür, ein langer Tisch, den man an der Wand einhängen kann. Der Schalter für die Beleuchtung steht entweder auf hellem Weißlicht oder warmen Nachtlicht. Es scheint ein bisschen so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Trotzdem fühlen wir uns wohl bei dem Gedanken, uns jetzt nicht in ein Auto oder Flugzeug zu quetschen und ein dabei nörgelndes Kind zu bespaßen. Unser Sohn schläft friedlich in seiner Koje. Und so zieht der Zug von Köln nach Koblenz an den Burgen und Hügeln des Rheintals vorbei und nimmt seinen weiteren Kurs auf in Richtung Süden.

Wir haben Lust auf ein Bier und bestellen eins beim Zugbegleiter. „Jetzt beginnt der Urlaub!“, freut sich mein Mann und ich stimme ihm zu. Nach den vielen Flugreisen der letzten Jahre haben wir endlich wieder das Gefühl, die Anreise als Teil der Ferien zu erleben – und nicht als puren Stress. „Die richtige Entscheidung“, denken wir und schwelgen im Glücksgefühl.

 

Schaukeln und Bremsen: Kind schläft, Eltern wach

Das aber nicht lange währen will. Gegen Mitternacht klettert jeder auf seine Liege. Sie kommt mir etwas zu hart vor. Dennoch versuche ich mir einzureden, dass es nur eine Nacht ist, obwohl mir eine Matratzen ähnlichere Unterlage jetzt gut tun würde. Der Zug rattert mittlerweile in Richtung Baden-Württemberg, Zwischenhalte bekomme ich schon nicht mehr mit. Hartes Bremsen und Weichenwechsel schon. Ich komme mir vor wie in einem Eilzug und werde mächtig durchgeschaukelt. Das mag auf Kleinkinder beruhigend wirken, mich macht es unruhig, sodass ich nur kurz zum Schlafen komme und immer wieder wach werde. Am Morgen stehen wir auf dem Sackbahnhof in München. Ich öffne die Fenstervorhänge einen Spalt und höre den bayerischen Lautsprecheransagen zu. Auf den Gleisen vor mir wuseln eilige Menschen in Anzug, Mantel und mit Aktenkoffern vorbei. Alle wollen sie in den Regionalzug zwei Gleise weiter einsteigen, während ich hier im Pyjama auf unsere Weiterfahrt warte.

Es geht weiter und wir passieren schon bald die Grenze zu Österreich. Unser Zugbegleiter steht vor der Tür und will uns wecken. Doch wir sind jetzt alle wach, auch unser kleiner Sohn, so dass wir bereit sind fürs Frühstück. Diesen Service hat sich der ÖBB überlegt: Im Fahrpreis inbegriffen sind Brötchen, Butter und Erdbeermarmelade. Dazu können wir zwischen Kaffee, Tee und Schokomilch wählen.

 

Was Kinder im Nachtzug dürfen: Klettern, Laufen, Beobachten

Während wir krümelnd vor unserem Tisch sitzen, beginnt unser Kleiner zu Klettern und an den Lichtschaltern neben den Liegen zu spielen. Das irgendetwas anders ist als Zuhause hat er unlängst begriffen. Was ihn zunächst neugierig macht, langweilt ihn bereits nach 20 Minuten. Er will raus auf den Flur. Dort hat er andere Fahrgäste sprechen gehört. Sein Vater folgt ihm. Mit interessierten Augen blickt unser Sohn aus den großen Flurfenstern heraus. Zum ersten Mal sieht er hohe Berge, zum ersten Mal weiß getünchte Landschaften. Richtig begreifen wird er dies erst später.

Noch 30 Minuten bis nach Innsbruck, der Endstation des Nightjets auf dieser Fahrt. Noch schnell wickeln, uns alle an- und umziehen und die Sachen zusammenpacken. Wir steigen aus und atmen die frische Winterluft ein. Müde, aber auch gespannt auf unser Reiseziel: Südtirol. Bis nach Sterzing (Vipiteno) sind es noch etwa 1,5 Stunden Fahrt mit S- und Regionalbahn. Sie sind noch nie so schnell vergangen wie heute.

 

Infos zum Nachtzug des ÖBB:

Wer das Reisen im Nachtzug selbst einmal ausprobieren findet beim ÖBB (https://www.nightjet.com) verschiedene Streckenangebote. Neben Zielen in Österreich (Innsbruck, Wien, Salzburg und Graz) werden mit dem Zug auch Städte in der Schweiz, Italien und Deutschland angefahren. Neu sind Verbindungen nach Brüssel (Belgien). Während der Fahrt durch die Nacht können Sitze oder Liegen sowie ganze Abteile reserviert werden.

Um das Reisen über bequemer zu machen, hat der ÖBB nach eigenen Angaben neue Nightjets bestellt. Sie sollen mehr Komfort und Privatsphäre ermöglichen. Die ersten Nachtzüge im neuen Design sollen 2022 fahren. Einen ersten Einblick gibt es auf der Seite https://www.nightjet.com/de/komfortkategorien/nightjetzukunft.