Kind beschäftigen

Vielen Eltern bricht es das Herz, wenn ihr Kind keine gleichaltrigen Spielgefährten trifft. Besonders leiden Kleinkinder ohne Geschwister, die derzeit viel Aufmerksamkeit von ihren Eltern brauchen.

Die Tagesmutter betreut nicht, die Kita bleibt geschlossen – und die Eltern arbeiten, während sie abwechselnd ihre Kinder bespaßen. Das geht eine gewisse Zeit gut, allmählich kommen viele Familien aber an ihre Grenzen.

„Wir wissen aus der Forschung, dass Kleinkinder sehr soziale Wesen sind und den Kontakt mit Gleichaltrigen benötigen. Sei es, dass sie mit einem anderen Kind etwas entdecken und lernen oder gemeinsam Konflikte austragen“, sagt Sabine Andresen, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. „Insbesondere, wenn nur ein Kind im Haushalt lebt, können Eltern die Lerngelegenheiten mit anderen Kindern nicht ersetzen.“ Hinzu kommt, dass man ständig zusammen ist. Weder für die Eltern noch für die Kinder ist derzeit ein Ausgleich möglich.

 

Entspannung im Park

Die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Daniela Lempertz rät daher Eltern Weite zu schaffen, d. h. zwei Mal am Tag mit dem Kind rauszugehen. „Beruhigend für Kinder und Eltern sind Achtsamkeitsübungen. Man kann draußen zusammen drei bewusste Atemzüge nehmen und gucken, wer am längsten ausatmen kann. Oder sich vornehmen, beim Ausatmen die Wolke anzuschieben“, sagt sie. Ein weiterer Tipp: „Sich zum Yoga im Park mit einer Freundin und ihrem Kind zu verabreden. Selbst für die Kleinsten gibt es schon einfache Positionen zum Nachmachen.“

Im Freien sind auch einige Spiele möglich, bei denen sich Kinder mit Abstand begegnen, etwa beim Verstecken, Ball schießen oder Gummitwist. Ebenso kann man sich mit einem befreundeten Kind und dessen Mutter für eine Fahrradtour verabreden, erzählt sie, damit sich die die Kinder wenigstens sehen können.

Dort, wo Häuser mit Gärten angrenzen, können sich Kinder beim Spielen zuschauen. Mit dem Nachbarskind kann auch vom Fenster aus kommuniziert werden. Lempertz empfiehlt, ein Dosentelefon zu basteln.

 

Videotelefonie kann kleine Kinder verstören

Häufig setzen Eltern Videotelefonate ein, in der Hoffnung, den Kontakt zu anderen Kindern und Verwandten aufrecht zu halten. „Kommunikationsmedien funktionieren bei vier oder fünfjährigen Kindern einigermaßen, sie ersetzen aber nicht den persönlichen Kontakt“, weiß Sabine Andresen. „Bei noch kleineren Kindern führen Video-Anrufe eher zur Verstörung. Die Jüngsten können nicht nachvollziehen, dass sie nicht zur Oma auf den Arm können“, sagt sie.

Auch Psychotherapeutin Lempertz warnt vor Kommunikationsmedien im Kleinkindalter. „Kinder bis sechs Jahre müssen die Welt begreifend erleben – mit den Händen. Sie brauchen reale Kontakte.“ Großeltern können ihren Enkeln derzeit nur zuwinken. „Wohnen sie weiter weg, sollte Videotelefonie höchstens einmal pro Woche stattfinden – z. B. Sonntagvormittag, wenn Eltern, Kinder und Großeltern „gemeinsam“ frühstücken“, empfiehlt sie.

 

Wie Kinder ihren Unmut ausdrücken

Trotz vieler kreativer Ideen, die Situation zu überstehen, bleibt sie für Familien belastend. „Wenn ein Elternteil zwischen wachsam und angespannt sein hin und her pendelt, spüren das die Kleinen“, sagt Daniela Lempertz. Sie fühlen mehr, als sie sprachlich ausdrücken können und verstehen nicht, was um sie herum passiert.

Das kann Folgen haben: „Alarmsignale, dass das Kind etwas beschäftigt und blockiert, erkennt man am veränderten Verhalten. Es gibt Kinder, die verstummen, obwohl sie bereits sprechen können und solche, die plötzlich Alpträume haben oder häufig aufwachen in der Nacht. Andere sind auf einmal anhänglicher, häufiger weinerlich oder wütend.“ Dabei muss man wissen: Je kleiner das Kind, desto mehr wird sein Befinden von dem Befinden seiner Bezugspersonen beeinflusst. „Eltern können sozusagen mit ihrem ‚ruhigen Gehirn‘ das möglicherweise aufgeregte Gehirn des Kindes beruhigen“, erklärt sie.

Wichtig ist auch, dem Kind zu vermitteln, warum Kita, Spielplätze und Sporthallen geschlossen sind. „Die Art und Weise, wie mit dem Kind gesprochen wird, ist entscheidend“, sagt Sabine Andresen. Eltern sollten die Situation zu erklären, ohne Angst zu erzeugen.

 

Positive Erlebnisse im Alltag

Durch die Corona-Zeit helfen können positive Erlebnisse: „Mit den Kindern und auch für sich selbst sollte man jeden Tag gucken, was geht und nicht, was nicht geht. Hilfreich kann es sein, jeden Tag eine Art Tagebuch mit dem Kind zu führen, indem man aufschreibt, malt oder zeichnet was es heute erlebt hat oder wie es sich fühlt. Eventuell auch Dinge, die das Kind oder die Familie Neues erlebt oder gelernt haben“, rät Lempertz.

Eltern sollten zudem den gewohnten Rhythmus im Alltag beibehalten. Das fängt bei festen Essens- und Schlafenszeiten an und geht über in weitere Verhaltensweisen der Eltern: „Wegen Corona sollte man jetzt nicht das Anziehen, Waschen, Kämmen vergessen und gemeinsam am Tisch sitzen. Denn das, was man vorlebt, kopieren Kinder eher, als das, was wir sagen“, weiß sie. Ebenso sollte man die Entwicklungsschritte des Kindes erhalten. „Wenn zum Beispiel das Kind schon im eigenen Bett schläft, sollte es jetzt nicht wieder im Elternbett schlafen“, sagt sie. Auch sollten Eltern nicht übervorsorglich mit dem Kind umgehen. Das könne die Selbstständigkeit hemmen und Ängste verstärken.

 

Kontakt zur Kita halten

„Ob Kinder die Zeit ohne Schaden überstehen, wird davon abhängen, wie lange es dauert und welche Möglichkeiten Eltern haben. Emotionale Ressourcen sind wichtig, um ein Kind gut trösten und ihm zuhören zu können. Es geht aber auch um finanzielle Mittel und Ideen für abwechslungsreiche Spielangebote“, so Andresen. Ihrer Ansicht werden „Kinder, die weniger Möglichkeiten haben, ihre Neugierde zu befriedigen, ihren Interessen nachzugehen und etwas Neues zu lernen, erst einmal deutlich benachteiligt sein.“

Sinnvoll sind mehr Hilfen: „Es ist gut, wenn von der Kita der Kontakt zu den Eltern und so zu dem Kind gehalten wird. Viele Eltern sind dankbar für jede Anregung, die Zeit gut miteinander zu verbringen“, erzählt sie. Auch der Austausch in Elterngruppen kann unterstützend sein. Viele Kinderpsychologen und -psychotherapeuten bieten ebenfalls ihre Unterstützung an.

 

„Mission: Zuhause bleiben“: Unter diesem Link findet sie das empfohlene Tagebuch für Kleinkinder in verschiedenen Sprachen: https://www.dalmaus.com/mision-quedarse-en-casa